Nur ein Sieg nach drei Halbzeitführungen

Sitting Bulls belegen in der Euroleague 2 im französischen Villefranche glücklos den fünften Rang

Würde ein Basketballmatch nur 20 Minuten dauern, wären die Conveen Sitting Bulls in der Vorrunde der neu geschaffenen Euroleague 2 im französischen Villefranche Zweiter – geschlagen nur vom italienischen Topteam aus Padova – und beim Willi-Brinkmann-Cup Ende April spielberechtigt. So jedoch reisten die niederösterreichischen Rollis mit nur einem Sieg bei drei Niederlagen und einer wichtigen Erfahrung reicher aus Frankreich zurück, nämlich der, dass die zweite Hälfte eines Spiels in diesem Jahr offensichtlich nicht zu den Stärken der Bulls gehört.

Der Sieg gelang im letzten Spiel gegen die Veranstalter. Nachdem man zu Ende des dritten Viertels schon mit 12 Punkten geführt hatte (was auch gleichzeitig den dritten Gruppenrang und die Qualifikation für den Challenge Cup in Antwerpen bedeutet hätte), reichte es nach dem fünften Foul von Center Harald Prause nur mehr zur Verlängerung – wenigstens diese holten sich die Sitting Bulls mit einem Punkt. Gleich viele Siege und Niederlagen hatten auch das französische Team und die Sheffield Steelers, der direkte Vergleich zwischen diesen drei Mannschaften fiel jedoch wie schon im Vorbereitungsturnier in Malmö zu Ungunsten der Bullen aus, denen damit nur der fünfte Platz blieb.

Trotzdem zeigte sich Josef Wastian, der vertretend für den krankheitshalber ausgefallenen Andreas Zankl als Coach mitgereist war, äußerst zufrieden, zumal man auch im internationalen Vergleich zumindest über 20 Minuten mehr als nur mithalten konnte und sich als absolut konkurrenzfähiges Team präsentierte. Zum Feiern gab es trotz des eher bescheidenen Ausgangs auch etwas: Der erst 16-jährige Andreas Kraft wurde verdientermaßen in das All-Star-Team des Turniers gewählt.

Padova Millennium Basket – Sitting Bulls 72:42 (35:25)

Gegen die Norditaliener, die mit dem Kroaten Ante Stimac und dem Ghanaer Robert Fynn zwei Legionäre in ihren Reihen aufweisen, rechneten sich die Sitting Bulls kaum Chancen aus – zu stark schienen die Offensivqualitäten von Stimac und den beiden italienischen Centerspielern Dal Fitto und Bargo. Doch in den ersten beiden Spielvierteln spielten die Niederösterreicher befreit auf, Kaufmann und vor allem Kraft schlossen einige schöne Aktionen erfolgreich ab. Zur Halbzeit konnte von einer Vorentscheidung noch nicht die Rede sein, mit dem Stand von 25:35 hatten die Sitting Bulls den Rückstand gegen ein internationales Klasseteam absolut in Grenzen gehalten.

Ein schneller 11:0-Lauf gleich nach der Pause brach dann aber den Widerstand der österreichischen Underdogs, weder Auszeit noch Wechsel konnten dieses Albtraumviertel für die Bulls irgendwie verhindern oder wenigstens ein bisschen verschönern. Die nackten Zahlen: 2:25. In einem munteren Schlussabschnitt, in dem die Italiener auch diverse Wechselspieler auf das Parkett schickten, fingen sich die Bullen dann angeführt von einem starken Alexander Hanisch wieder. Das Viertel konnten die Bulls mit 15:12 für sich entscheiden und somit noch ein wenig Ergebniskosmetik betreiben.

Stimac 18, Dal Fitto 17, Bargo, Raourahi je 12, Fynn 11, Zanin 2, Borin, Culea, Giro, Vettorello bzw. Kraft 13, Wastian 9, Hanisch, Kaufmann je 6, Prause 4, Riedl u. Eckerl je 2

Sitting Bulls – Izmir Büyüksehir S.C. 50:70 (31:29)

Im zweiten Samstagsmatch trafen die Sitting Bulls auf das türkische Team aus Izmir, ein Team, gegen das man 2006 in der Finalrunde des André-Vergauwen-Cups in Adana knapp verloren hatte. Aufgrund der zuvor gezeigten Leistungen war jedoch klar, dass es sich bei diesem Team wohl um das zweitstärkste des Turniers handeln dürfte und die Bulls wie schon am Vormittag als krasser Außenseiter in die Partie gingen. Hinzu kommt die nahezu unerträgliche, weil auch schon so lange bekannte, aber unveränderte Tatsache, dass fast alle türkischen Spieler mit zu wenigen Punkten klassifiziert sind und daher keinen kleinen körperlichen Vorteil haben.

Gegen die am Rollstuhl recht starken Türken versuchten sich die Sitting Bulls mit einer engen Zonenverteidigung – ein Konzept, das anfangs von großem Erfolg geprägt war. Die fehlenden hochprozentigen Distanzschützen im Team der Türken und die starke Offensivleistung von Kaufmann, Kraft und Wastian bescherten den Bulls eine überraschende 17:12-Führung nach dem ersten Viertel. Auch wenn Prause wie schon im ersten Spiel gegen Padova von den Bullen offensiv kaum in Szene gesetzt werden konnte, konservierten die Bullen die Führung im zweiten Abschnitt vor allem mit einer starken Leistung von der Freiwurflinie, an der sie dank der vielen Fouls der türksichen Spieler zu vielen Gelegenheiten kamen. Auch wenn die von zahlreichen Fans lautstark unterstützten Türken insgesamt mehr Fouls in der ersten Hälfte begingen, so hatten sie aufgrund ihres großen Kaders und der langen guten Bank im Endeffekt weniger Foulprobleme als die Sitting Bulls, die auf der Centerposition über keinen einzigen Wechselspieler verfügten und Harald Prause nach seinem vierten Foul kurz vor der Halbzeit als Vorsichtsmaßnahme vom Feld nehmen mussten.

Er wurde auch in den ersten fünf Minuten nach der Pause geschont, und die Bullen spielten in dieser Zeit eine sehr bemerkenswerte Defense, wenn man bedenkt, dass die fünf gerade einmal mit 12 Punkten gegen die unterklassifizierten Türken dagegenhalten mussten. 2:6 hieß es in diesen fünf Minuten, die Partie war beim Stand von 33:35 nach wie vor offen. Doch entgegen der Hoffnung, dass die Rückkehr Prauses auf den Court noch einmal eine Leistungssteigerung der Bullen bewirken könnte, intensivierten die Spieler aus Izmir noch einmal ihre Offensivbemühungen und hängten Prause schon kurz nach seiner Rückkehr sein fünftes Foul an. Damit war die Partie zugunsten der Favoriten entschieden, auch wenn gerade Andreas Kraft im Schlussabschnitt hochprozentig von der linken Seite traf. Die 33:21-Überlegenheit an den Brettern zugunsten des türkischen Teams sowie die 80%-ige Trefferquote bei 25 Punkten von Serdan Saglam waren schlussendlich zu viel für die Bullen, die diesmal noch mehr als im ersten Spiel gegen Padova zeigten, dass sie sehr wohl in der Lage sind, gute europäische Teams zumindest über lange Zeit zu fordern.

Kraft 17, Wastian 11, Kaufmann 10, Riedl 6, Prause 4, Eckerl 2, Bock bzw. Saglam 25, Kodal 12, Sahin 9, Akpinar, Boyraz je 8, Reyhani 3, Boz, Kart je 2, Sayin 1, Özünver

Sitting Bulls – Sheffield Steelers 67:76 (32:31)

Die Sheffield Steelers – ein großer Name im europäischen Rollstuhlbasketballsport. Dennoch konnte man von den Steelers 2009 nicht allzu viel Großes erwarten, dafür war die Qualität und die Quantität der Abgänge nach dem Meistertitel 2008 einfach zu hoch: Bywater, Highcock, Hall, Pollock fanden bei anderen europäischen Spitzenteams Unterschlupf, und somit war das Team um Colin Price und Kevin Hayes eine Mischung aus einigen sehr erfahrenen und einigen sehr jungen Spielern. Nach der Niederlage gegen den Gastgeber aus Villefranche standen die Briten schon ziemlich unter Druck, aber auch die Sitting Bulls waren sich der Wichtigkeit dieses Matches bewusst: Man schielte nach den guten Leistungen des ersten Tages doch vorsichtig mit einem Auge Richtung Platz 3, der die Qualifikation für den Challenge Cup bedeutete.

Ganz im Gegensatz zu Izmir verfügten die Engländer weniger über große Stärken am Rollstuhl, sondern verstanden es immer wieder, ihre Distanzschützen gut in Szene zu setzen und damit Räume für Spieler wie Bramley zu öffnen. Dementsprechend wussten die Sitting Bulls, dass diesmal eine aggressivere Verteidigung angesagt war. In einem flotten ersten Viertel hatten die Niederösterreicher jedoch gröbere Probleme mit Colin Price, der ihnen in den ersten zehn Minuten gleich 13 Punkte einschenkte. Nach dem 17:24 erhöhten die Bullen im zweiten Viertel aber derart die Intensität, dass die Steelers gegen die Presse und die aggressive Zone kaum zurecht kamen. Kaufmann traf einige Distanzwürfe, und plötzlich waren die Conveen Sitting Bulls zur Pause mit 32:31 in Front.

Im dritten Viertel nahm Colin Price dann für einige Zeit auf der Bank Platz, er hatte bereits drei Fouls auf seinem Konto. Damit wechselte Sheffield zu einer Aufstellung mit drei großen Spielern, mit der die Full Court Press der Bullen aber leider nicht wirklich gut zurecht kam. Bramley und auch Spielertrainer Hudson kamen immer wieder zu leichten Punkten aus dem Fastbreak heraus, die Engländer konnten sich auf 51:46 absetzen. Und irgendwie fehlte den Bulls jetzt in der Schlussphase eine kleine Initialzündung, man spielte zwar recht brav, aber es gab keinen Ruck, der durch die Mannschaft ging, keinen kleinen Lauf, der noch einmal eine Wende bewirken hätte können. Zwar ging Price kurz vor Schluss mit seinem fünften Foul, aber alleine drei leichte Ballverluste nach Einwürfen im Schlussviertel brachten die Bulls um einen größeren Lohn für ihren Einsatz. Wastian traf noch einen Dreipunktewurf, aber die routinierten Spieler aus Sheffield zeigten von der Freiwurflinie kaum Nerven und trafen ihre Würfe. Nach dem Buzzerbeater von Wastian nach schönem Zuspiel von Riedl zum 67:76-Endstand war klar, dass die Sitting Bulls damit im Match gegen Villefranche einen 11-Punkte-Sieg für Platz 3 benötigen würden, ein Sieg mit sieben Punkten Unterschied würde zu Platz 4 reichen.

Wenn man bedenkt, dass die Sitting Bulls in diesem Spiel 17 (!!!) Würfe mehr aus dem Feld nehmen konnten, die Steelers aber 6 (!!!) mehr trafen, fiel das Ergebnis für die Sitting Bulls ja noch recht gut aus…

Kraft 16, Wastian u. Prause je 15, Kaufmann 13, Riedl 6, Hanisch 2, Eckerl bzw. Price 24, Bramley 17, Wild 11, Hayes 10, Hudson, McDerby je 6, Boardman 2, Tingle

Villefranche Meyzieu Cluny – Sitting Bulls 73:74 OT (33:36, 66:66)

Während Padova Platz 1 und Izmir Platz 2 bereits fixiert hatten, ging es in diesem Match um die Plätze 3 bis 5. Villefranche hatte am Vorabend nicht nur das äußerst emotionale Match gegen Izmir vor geschätzten 350 Zuschauern (mit leichtem Vorteil für die Mannschaft aus der Türkei) mit einem Punkt, sondern auch ihren Topscorer Jauzin durch eine Armverletzung für das Match gegen die Bulls und das nächste Monat verloren. Damit hatten beide Mannschaften auf der Centerposition keinen Wechselspieler.

Prause startete sehr stark in die Partie, stellte alleine gleich eine 6:0-Führung her. Die 7:0-Duftmarke reichte dem Coach der Heimischen, er rief seine Spieler zur Auszeit. Nach dieser stellte Villefranche, das über sehr schnelle Spieler verfügt, auf Presse um. Zwar konnte Wastian dieser Presse immer wieder entwischen und die Fastbreaks erfolgreich abschließen, aber die Turnoverrate der Bulls stieg deutlich an, und spätestens nach einem aus zweierlei Hinsicht äußerst glücklichen Dreier von Akrim war der Score wieder ziemlich ausgeglichen. Akrim, der anfangs kaum seinen Rhythmus gefunden und zahlreiche gute Gelegenheiten ausgelassen hatte, traf per Hookshot via Brett nach einem Einwurf, der mit einer Sekunde auf der Wurfuhr erfolgt war. Warum die drei Sekunden, die bis zum Wurf vergingen, laut dem heimischen Tisch allerdings – wie auch in einer genau gleichen Situation in der zweiten Hälfte – offiziell nur eine Sekunde lang dauerten und die äußerst schwachen Schiedsrichter hier nicht selbst abpfiffen und den Korb nicht gaben, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

In dem bis auf die Schiedsrichterleistung sehr hochklassigen Spiel zeigte dann wieder einmal Andreas Kraft auf und erzielte im zweiten Viertel acht Punkte, genau wie Akrim auf der Gegenseite. Dieser setzte seinen Rollstuhl allerdings sehr oft sehr nah an der Offensivfoulgrenze ein – fast schon erwartungsgemäß blieben die Schiedsrichterpfiffe hier aber immer aus. Wieder gingen die Bullen mit einer Führung in die Pause, das 36:33 mussten sie aber auf jeden Fall noch ausbauen, wenn sie mehr als den letzten Platz herausholen wollten.

Mit viel Kampfgeist und gutem Teamplay bauten die Bullen den Vorsprung im dritten Abschnitt konsequent aus, 53:43 – jetzt war man schon sehr nahe am angestrebten Sieg mit mindestens 11 Punkten. Als Kaufmann den ersten Angriff der Sitting Bulls im letzten Viertel erfolgreich abschloss, hatten die Bullen erstmals diese imaginäre 11-Punkte-Linie überschritten. Doch gerade jetzt wurde es wieder enorm hektisch im Spiel der Bullen: Farre, der zweite Center der Franzosen, von dem in den ersten dreißig Spielminuten kaum etwas zu sehen war, drehte jetzt auf und scorte innerhalb kurzer Zeit sechs Punkte, Akrim spielte weiterhin stark, die Schiedsrichter konnten in dieser Phase nicht einmal mehr als Heimschiedsrichter bezeichnet werden, zu offensichtlich war die Bevorzugung der Spieler von Villefranche. Der Vorsprung der Bullen schmolz rapide, 3:20 vor Schluss musste Prause wie schon gegen Izmir nach seinem fünften Foul vom Court. Die Bullen kämpften weiter verbissen um den Erhalt der Führung, Wastian traf einen einhändigen Notwurf mit dem 24-Sekunden-Buzzer, Akrim glich aus, Eckerl traf kurz vor Ende einen Layup, doch im Gegenzug gelang Akrim nach einem weiteren nicht gepfiffenen Offensivfoul abermals der Ausgleich – also Overtime!

In dieser Verlängerung traf zunächst Wastian einen Layup und zwei Freiwürfe nach dem fünften Foul von Farre, für Villefranche war Perez erfolgreich. Akrim konnte von der Defense der Bullen endlich kaltgestellt werden, lediglich Steven Caine kam mit einem Distanzwurf und von der Freiwurflinie zu Punkten. Riedl traf für die Bullen, und kurz vor Schluss war es wieder Eckerl, der unter dem Korb erfolgreich war und damit den verdienten Sieg der Sitting Bulls sicherstellte.

Somit reichte es trotz dieses Erfolgs nur zu Platz 5 in der Euroleague 2, aber mit ihrem Auftreten können die Conveen Sitting Bulls mehr als nur zufrieden sein. Mit nur ein wenig mehr Glück wäre Platz 3 und somit die Qualifikation für den Challenge Cup absolut drinnen gewesen.

Akrim 35, Caine 13, Durieu 10, Farre, Perez je 6, Burelier 3 bzw. Wastian 21, Kraft u. Prause je 15, Riedl 10, Kaufmann 9, Eckerl 4, Hanisch

Punkteverteilung der Bulls im gesamten Turnier

Kraft 61
Wastian 56
Kaufmann 38
Prause 38
Riedl 24
Eckerl 8
Hanisch 8
Bock 0


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